Nicht nur für die Jugend, sondern mit der Jugend
Mit den Murals, die sowohl von kleineren Künstlerkollektiven als auch von international bekannten Streetart-Künstlern verwirklicht werden, soll vor allem auch ein jüngeres Publikum für Kunst begeistert werden. Aus diesem Grund ist es der Stiftung ein besonderes Anliegen, Schüler*innen am Entstehungsprozess teilhaben zu lassen: die Neuinterpretationen historischer Gemälde inspirieren den Kunstunterricht, Schüler*innen dürfen Modell stehen und teilweise basieren die Murals sogar auf ihren Entwürfen. Auch beim Wanderer 4.0 arbeiteten die Profis des Berliner Künstlerkollektivs Innerfields mit den Schüler*innen der Kaiserin-Theophanu-Schule Hand in Hand.[3]
Doch auch anderweitig richten sich die Murals an jüngere Generationen. Themen und Motive aus historischen Vorlagen werden wiederverwendet und auf aktuelle Herausforderungen unserer Zeit angewandt: am häufigsten wird der Klimawandel thematisiert, wenn etwa die bevorstehenden Konsequenzen dadurch sichtbar gemacht werden, dass sie die vermeintliche Idylle eines impressionistischen oder romantischen Gemäldes zerstören — so unter anderem bei der Interpretation des Wanderers von Caspar David Friedrich, bei der, wie wir bereits gesehen haben, Industrie, Umweltkatastrophen und die Verrohung der Natur vorherrschen.
Ein zentrales Motiv des Projektes ist auch die unbestreitbare und unaufhaltsam voranschreitende Präsenz von Technologie und Social Media im Alltag. Gerade den Einfluss auf junge Menschen bewerten die Murals kritisch, doch auch Abhängigkeit, Hilflosigkeit und Ignoranz werden mit dieser problematischen Omnipräsenz assoziiert, wenn etwa Carl Spitzwegs Schmetterlingsfänger uns in Case Maclaims Neuinterpretation in Gelsenkirchen zwar ebenso verblüfft, aber mit einem Selfie-Stick statt mit einem Kescher deutlich schlechter ausgestattet, anblickt. Auch bei unserem Kölner Wanderer versteckt sich ein Hinweis auf die Allgegenwärtigkeit von Technologie. Ein Detail, das wir bis jetzt unbeachtet gelassen haben, ist das Smartphone, das er in der Hand hält, als würde er ein Foto schießen wollen. Die Diskrepanz zwischen dieser verqualmten, bedrückenden Kulisse und ihrer vermeintlichen Fotogenität macht uns stutzig. Doch in einer Welt, in der Orte nach ihrer Instagrammability bewertet werden, während andere den Folgen unseres rücksichtslosen Umgangs zum Opfer fallen, ist die Ignoranz des Wanderers nicht überraschend. Im Gegenteil: sie spiegelt die oberflächliche, ja verfälschte Realität wider, die der Mensch online konstruiert hat um zu verdrängen, wie es tatsächlich um die Welt steht.